Ich bin zwar schon wieder in Deutschland, trotzdem soll es heute retrospektiv noch mal um die Uni Schweden gehen. Die Zeit in Schweden besteht natürlich nicht nur aus Partys, Joggen und Ausflügen auf wunderschöne Inseln.
Vorab an dieser Stelle gleich eine Entschuldigung bezüglich der fehlenden Fotos (die in diesem Artikel hab ich von ihrer Webseite „geliehen“). Ich dachte immer ich hätte welche gemacht aber vielleicht hat Basti ja noch welche und ich kann sie hier nachträglich einbauen.
Die Uni allgemein
Die Uni in, an der ich in Schweden in Karlskrona studiert habe, heißt „Blekinge Institute of Technology“ (BTH), beziehungsweise „Blekinge Tekniska Högskola“ auf Schwedisch, und ihre frisch überholte Website kann man hier finden.
Die Uni ist wunderschön direkt an der Ostsee gelegen, obwohl diese von dort aus eher wie ein großer See aussieht und man kaum glaubt, dass es sich tatsächlich um ein Meer handelt. Auch sind es von dem Studentenwohnheim, wo ich gewohnt habe (Minervavägen), keine 5 Minuten Fußweg bis zur Uni (das Wohnheim ist sogar oben rechts auf dem Bild noch ansatzweise zu sehen).
Die BTH fokussiert sich im großen und ganzen auf technische Fachrichtungen, so haben sie insbesondere im Fachgebiet „Software Engineering“ (mein Studiengang) einen guten Ruf. Laut dem „Journal of Systems and Software“ is die BTH die sechstbeste Universität der Welt sind und sogar die beste Europas. Das bezieht sich jedoch größtenteils auf die Forschung, nicht die Lehre. Dies liegt wohl vor allem begründet in dem Erfolg des Professors „Claes Wohlin“, der einer der Professoren mit den meisten Veröffentlichungen im Software Engineering weltweit ist. Ich habe ihn jedoch in meiner gesamten Zeit an der BTH leider kein einziges mal gesehen. Generell habe ich nie einen Professor gesehen, aber dazu später mehr.
Ansonsten kann man an der BTH noch einige andere Studiengänge studieren, Freunde von mir studieren unter anderem die folgenden Studiengänge (frei übersetzt): Telekommunikation, Informatik, Stadtplanung, Computersicherheit, Game Programming, Krankenpflege, Elektrotechnik, Wirtschaft und Mechanik. Eine Übersicht aller Studiengänge gibt es hier. Die Uni legt auch viel Wert auf Nachhaltigkeit und hat auch dafür einen eigenen Studiengang.
Die BTH ist sehr international, so international, dass ich in meinem Studiengang kaum Schweden hatte. Um genau zu sein waren es glaube ich 3 von weit über 100. Die Vorlesungen im Master werden alle auf Englisch gehalten, insofern ist es kein Problem nicht Schwede zu sein beziehungsweise nicht fließen Schwedisch sprechen zu können.
In der BTH gibt es ein kleines Café und eine Mensa, die zwar gut aussieht, aber auch relativ teuer ist. Deswegen war ich auch nie dort essen. Persönlich kann ich nur den guten Inder gleich um die Ecke von der BTH an der „Hauptstraße“ empfehlen. Da gibt es super leckeres indisches Essen und auch sehr leckere Pizza. Zwischen 11 und 14 Uhr für Studenten sogar mit einem Getränk der Wahl dazu für nur 50 Kronen (~5,60€) – ein für Schweden kaum zu toppender Preis (die Mensa ist teurer…). Man sollte allerdings vorher anrufen und bestellen, die Zubereitung dauert meist zwischen 15 und 20 Minuten.
Arbeiten an der BTH
An der BTH herrschen gute Arbeitsbedingungen und es gibt wirklich viele Räume und Tische für Studenten um dort zu arbeiten. Gut ist vor allem, dass die Uni (Bibliothek ausgenommen) 24 Stunden am Tag offen hat, sowohl in der Woche als auch am Wochenende. Das hätte ich mir am HPI doch das ein oder andere mal bei den Gruppenarbeiten sehr gewünscht.
Die Arbeitsräume sind meist mit Tischen, Stühlen und einem Whiteboard ausgestattet. In der Bibliothek gibts dazu auch noch einen riesengroßen Monitor. Die Räume in der Bibliothek kann man buchen, und muss das eigentlich 2 oder 3 Wochen vorher machen, da viele Studenten „auf Vorrat“ buchen. Wenn man allerdings einen leeren Raum findet kann man rein gehen und dort arbeiten bis jemand vorbeikommt, der reserviert hat.
Achja die Bibliothek, ein wunderbarer Ort und nicht zu vergleichen mit Bibliotheken in Deutschland. Im Untergeschoss sieht es so aus wie in Bibliotheken in Deutschland aber etwas reden ist erlaubt und nicht nur flüstern. Im oberen Geschoss hingegen ist alles bunt, sogar mit Plätzen um sich hin zu legen. Reden ist ausdrücklich erlaubt und möglich, ohne vom nächsten Jurastudenten mit einem der vielen Gesetzbücher erschlagen zu werden. Die Bibliothek wird oft für Gruppenarbeiten genutzt, da man fast immer einen Platz findet und man sich nicht anmelden muss. Außerdem trifft man dort eigentlich immer Freunde mit denen man nett plaudern kann.
Studieren an der BTH
Im ERASMUS-Studium darf natürlich auch das Studium nicht zu kurz kommen. Natürlich besucht man an der Gastuniversität Kurse. Die reine Anzahl an Vorlesungen ist dabei jedoch deutlich geringer, als ich es aus Deutschland gewohnt bin. In einer Lernperiode (study period/läsperiod) wird einem empfohlen 2 aber maximal 3 Kurse zu belegen. Ich habe mich daran gehalten und immer 2 Kurse belegt (+ normalerweise einen Schwedischkurs). Vorlesungen gibt es meistens zweimal die Woche in Zweistundenblöcken. Dabei wird fast immer mit akademischen Viertel begonnen und zumeist wird nach 45 Minuten oder einer Stunde noch eine Pause für 10 bis 15 Minuten eingelegt. Dadurch sind die Vorlesungen dann effektiv meist 90 Minuten lang. Meine meisten Vorlesungen fingen frühestens um 10, ganz selten um 8 an, aber oft musste ich auch erst 13 oder 15 Uhr zur Uni. Ab und zu auch gar nicht, weil ich weder eine Vorlesung noch ein Gruppentreffen hatte.
Da es nicht so viele Vorlesungen gibt verbringt man die Zeit oft hauptsächlich mit etwas anderem, den „gefürchteten“ Assignments. Das sind meist sehr zeitaufwändige Aufgaben, die mit in die Bewertung des Kurses einfließen. Und das meist nicht zu knapp, so ist es zumeist so das alle Assignments zusammen gut 50% (mal mehr, mal weniger) der Note des Kurses ausmachen. Insofern sollten diese auch von entsprechender Qualität sein.
Durch diese Assignments kommt der Arbeitsaufwand oft in Schüben, nämlich mit Veröffentlichung selbiger oder je näher ihr Abgabetermin rückt. Persönlich habe ich den Arbeitsaufwand für einige der Assignments teilweise als enorm übertrieben empfunden, da man die selben Inhalte genauso gut mit viel kleineren Aufgaben hätte vermitteln können. Aber wahrscheinlich ist das eine Rechtfertigung dafür, das man für die Kurse 20 Stunden pro Woche aufbringen soll. Und so haben wir dann 35 Seiten lange oder über 60 Seiten lange Projektmanagementpläne verfasst. Auch hat mir bei manchen Aufgaben die Praxisrelevanz gefehlt, die ich von meinem Bachelorstudium am HPI gewohnt war. Manchmal kam es mir auch ein wenig wie Beschäftigungstherapie vor, wenn wir mal wieder einen IEEE Standard lesen mussten um ein dazugehöriges Dokument anzufertigen.
Man muss dazu aber sagen, dass der Arbeitsaufwand bei den Assignments wohl bei weitem nicht in allen Studiengängen so ist. Wenn ich Studenten, die schon länger an der BTH studieren, erzählt habe, das ich Software Engineering studiere wurde ich meist wie ein Außerirdischer angeguckt und gefragt wie ich das denn alles schaffe, da es so schwer ist und die Dozenten so viel verlangen. Aus einigen anderen Studiengängen (an dieser Stelle nicht näher benannt 😉 ) kenne ich Geschichten, das die Leute sich regelrecht langweilen, weil sie nichts zu tun haben. Oder das da für Kurse insgesamt so viel Arbeit aufgebracht werden musste wie bei uns für ein halbes Assignment.
Auch ist mir an der BTH leider teilweise negativ aufgefallen, das davon ausgegangen wurde, das die Studenten Zugriff auf ein bestimmtes Buch oder ähnliche Materialien besitzen. Dabei war es oft so, das es von dem Buch in der Bibliothek maximal 2 Exemplare gab (manchmal gar keine) – und das verteilt auf gut 80 Studenten. Die Bücher waren oft nicht billig und sie waren nicht nur als Lernhilfe gedacht. Es gab teilweise Assignments die daraus bestanden mehrere Kapitel eines dieser Bücher zu lesen und dann darüber zu reflektieren. Ohne das Buch natürlich schwer möglich und in diesen Veranstaltungen waren die Verantwortlichen oft nicht so hilfreich dabei die entsprechenden Materialien zu beschaffen.
Klausuren werden am Ende der meisten Kurse geschrieben und was Klausuren angeht finde ich das schwedische System deutlich besser als das Deutsche. Für Klausuren hat man dort immer 5 volle Stunden Zeit, auch wenn die Klausur nur für 90 Minuten ausgelegt ist. Ich finde das besser, weil so wirklich mein Wissen getestet wird und nicht getestet wird wie schnell ich schreiben kann. Am HPI bin ich leider des öfteren mit der Klausur nicht fertig geworden und habe dadurch einige Punkte und meistens auch eine Note oder mehr verloren.
Das schwedische Universitätssystem ist sowieso sehr kulant. Man kann jedes Assignment und jede Klausur zweimal wiederholen, wenn man bei den ersten Versuchen durchgefallen ist oder einfach nicht abgegeben hat. Außerdem kann man sich meistens alte Klausuren am Helpdesk abholen um sich ein Bild von der Klausur zu machen.
Über die einzelnen Kurse, die ich besucht habe, gibt es zu einem späteren Zeitpunkt nochmal einen detaillierten Post – hauptsächlich für interessierte HPI Studenten, die gerne nach Karlskrona möchten. Die Qualität der Lehre und der Arbeitsaufwand hat sich von Kurs zu Kurs doch teilweise schon erheblich unterschieden. Für mich war auch merkwürdig, das ich nie einen Professor zu Gesicht bekommen habe. Wenn man Glück hat wurde die Vorlesung von einem Doktor gehalten, was meist auch sehr gut war. Oft aber auch von Doktoranden, wo die Qualität sehr schwankend war.
Die Lehrplattformen
An der BTH gibt es grundlegend 2 Internetplattformen, die man häufiger benutzen wird. Das sind itslearning und das student portal.
Itslearning wird hauptsächlich dazu benutzt Informationen zwischen Dozenten und Studierenden auszutauschen. So werden dort Materialien hochgeladen und Ankündigungen gemacht. Auch müssen sämtliche Assignments hier abgegeben werden und die Benotung selbiger erfährt man auch über itslearning. Es ist jedoch Vorsicht geboten, itslearning lässt keine Abgaben mehr nach der Deadline zu und auch wenn man Tage vor der Deadline eine Lösung abgibt, kann man diese später nicht mehr ändern. Das heißt wenn man eigentlich noch Zeit hätte und einem noch ein Fehler auffällt, aber schon abgegeben hat, hat man halt Pech gehabt.
Das student portal wird normalerweise zur Registrierung für Kurse benutzt, das kann einem als ERASMUS Student aber (abgesehen vom Schwedischkurs) herzlich egal sein, da der ERASMUS Koordinator normalerweise die Kursbelegung klärt. Man muss aber aufpassen, denn hier muss man sich für die Klausuren anmelden. Diese Anmeldung wird ~2 Monate (oder so) vor dem Klausurtermin frei geschaltet und ist nur bis ~2 Wochen vor der Klausur möglich. Wenn man es vergisst sich anzumelden, muss man hoffen, das noch Sitzplätze frei sind. Außerdem kann man sich hier Ladokzertifikate herunterladen. Ladok ist eine zentrale schwedische Datenbank, in der die Studienleistungen von fast allen Studenten in Schweden erfasst sind.
So das waren ein paar gesammelte Eindrücke vom Blekinge Institute of Technology. Der nächste Post wird sich etwas detaillierter mit Kursen und Dozenten befassen.